Riesenmaschine

29.07.2008 | 11:23 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Ein nur für manche schöner Tag in der Werbeagentur


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Stenzel kochte. Dieses Arschloch. Er hatte es schon wieder getan! Wonnegat, Junior Creative Director aus dem 2. Stock, war mal wieder "rein zufällig" beim Meeting für die neue Hornbach-Frühjahrs-Aktion in den Konfi geschneit, hatte mal wieder wie nebenbei einen Satz gemurmelt, den Dr. Vöckel, Chief Creative Officer und extra aus Düsseldorf angereist, mal wieder umgehend zum Kampagnenclaim erklärt hatte. Stenzels eigene Arbeit – vier Wochen lang Marktdaten, Creative Briefs und Brand-Core-Analysen lesen, die Werbung aller deutschen Baumärkte seit 1985 auswendig lernen und aus diesem Wissen dann zehn verschiedene Kampagnenideen erstellen – war dahin.

Seit Jahren ging das nun so. Stenzel hatte sich "Yippiejaja yippie yippie yeah" ausgedacht – das als Markenclaim schon vor langem durch Wonnegats "Es gibt immer was zu tun" ersetzt worden war. Stenzel hatte Schnick und Schnack, die Hand-Drauf-Aktion, den Stuntman-Spot und die Hornbach-Sommerspiele erfunden – Wonnegat hatte im Vorbeigehen "Mach es fertig, bevor es dich fertig macht", "Sie werden wachsen. Mit jedem neuen Projekt" und "Jedes Projekt macht dich besser" getextet. Und statt von Stenzels "Liebe Dein Zuhause. Dann liebt es Dich auch" oder der "Blixa Bargeld liest Hornbach"-Aktion redeten alle nur über die angeblich schlichte Genialität von "In jedem Projekt steckt ein Teil von dir" und "Mach's wie du willst – aber mach's". Aber wie konnte Wonnegat, der ohnehin schon parallel auf zwei Grosskunden arbeitete, bloss immer wieder neue Claims aus dem Ärmel schütteln?

Später am gleichen Tag lag Wonnegat zufrieden in seinem Bett. Düsseldorf freue sich auf ihn, so hatte Dr. Vöckel bei seiner Verabschiedung versichert. Wonnegat öffnete die Nachttischschublade, holte seinen beim Firmenwichteln 2002 gewonnene Abreisskalender "365 Spruchweisheiten für den Freiberufler von heute" hervor und wog ihn liebevoll in seinen Händen. Er hatte ihn auch dieses Mal nicht im Stich gelassen und dabei war er erst beim 15. Januar angekommen.

Mal schauen, was auf der nächsten Seite stand... aha: "Wem du bei deinem Projekt vertraust, dem kannst du bei allem vertrauen". Ausgezeichnet, dachte Wonnegat. Daraus sollte sich doch was für die Sommer-2008-Kampagne machen lassen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein dann doch noch ganz schöner Tag in der Hama GmbH & Co KG


Kommentar #1 von Gelangweiltem:

Naja, die Werbefuzzi-Geschichte war ein oder zweimal ganz lustig. Inzwischen wirkt sie etwas lau, zumal ihr es Euch damit einfach macht und einen Berufsstand verspottet, der in der Verachtung seiner Mitmenschen sowieso schon ganz oben steht, noch vor dem Versicherungsvertreter und wahrscheinlich sogar weit vor dem Henker.

29.07.2008 | 11:43

Kommentar #2 von Gelangweiltem:

Und ausserdem: Wen interessiert ein Werbespruch von Hornbach? Ich bitte um mehr Relevanz in diesem Blog!

29.07.2008 | 11:45

Kommentar #3 von nicht Gelangweiltem:

Aba, diese Serie ist brillant. Werbefuzzis aufs Maul!
«Man projektiert nur mit dem Herzen gut».

29.07.2008 | 12:01

Kommentar #4 von irgendwem:

Die Riesenmaschine war früher auch besser, als sie noch nicht so kommerziell war.

29.07.2008 | 12:03

Kommentar #5 von Euren Müttern:

@Gelangweilter: 4 Kommentare bisher, und drei stammen von Dir... innerhalb einer Viertel Stunde... nix zu tun oder was.
@irgendwem: Dann mach halt Deinen eigenen Blog und es dann auch gleich besser...

29.07.2008 | 13:04

Kommentar #6 von Herr Konker:

Irgendwie fesselt Stenzel nicht so sehr wie Salweider und seine Kollegen.

29.07.2008 | 13:25

Kommentar #7 von Ltd-72!:

Eigentlich waere dieser Eintrag eine gute Gelegenheit gewesen die abgrundtiefe Boesartigkeit von Baumaerkten im Allgemeinen zu entlarven. Schade, aber da haben Sie die gueldene Chance vertan, Herr Brake. Hornbach, Praktiker und diese gruen-weissen, bajuwarischen Halbnazis von der BayWa werden es Ihnen danken! Vielleicht mit einem Jobangebot als Werbetexter?

29.07.2008 | 14:12

Kommentar #8 von L-Ron:

Richtig, Herr Ltd-72!, Baumärkte sind des Teufels. Sie unterminieren das ehrwürdige Handwerk, fördern die Selbstüberschätzung des Kleinbürgers und stehen ärgerlich im Gelände herum! Und überhaupt!

29.07.2008 | 14:32

Kommentar #9 von Sascha Lobo:

Dieses Herumhacken auf uns Werbern (wozu ich den Artikel nicht zähle) deutet häufig auf eine mangelhafte Kenntnis der Welt hin. Werbung gehört zu den wichtigsten gesellschaftlichen Funktionen und ist allein schon durch seine Buntheit toll. Produkte, Medien und Arbeitsplätze gäbe es nicht ohne Werbung und auch Nord- und Südpol wären ohne regelmässige Werbekampagnen von Bono längst geschmolzen. Der voreilige Verurteiler halte also ein und denke nach. Als Werber habe ich übrigens, um dem Kommentator "Gelangweiltem" zu widersprechen, erfahren, dass unser Berufsstand verhältnismässig hoch angesehen ist. Die Werberfeindlichkeit des ausklingenden 20. Jahrhunderts hat sich gewandelt wie die Schauspielerfeindlichkeit des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Ich selbst (als Werber) begegne in Clubs und Discos oft Menschen, die ehrfurchtsvoll flüstern "Oh, Du bist Werber!" und sich ohne mit der Wimper zu zucken auf das ein oder andere Hildgard-Knef-Gedenk-Gedeck einladen lassen. Speichelaustausch findet – früher im hohen Bogen im Gesicht landend – heute eher im direkten Mundkontakt statt, auch das ein Zeichen der höheren Wertschätzung. Und schliesslich gibt es nur noch wenige Tiere, die im Streichelzoo quiekend davonlaufen, wenn man ihnen die Visitenkarte "Creative Director" oder "Global Head of Everything (Advertising)" hinhält. Alles Anzeichen für eine vollumfängliche Veränderung des gesellschaftlichen Images der Werbung und ihrer Protagonisten.

29.07.2008 | 17:42

Kommentar #10 von Ltd-72!:

Prima! Es freut mich das es innerhalb der Riesenmaschine dann doch noch so etwas wie Schuetzendeckung gibt. Verwundert bin ich aber darueber nicht, warte aber trotzdem geduldig auf das erste "friendly fire".
Trotzdem, veehrter Herr Lobo, werden meine Kinder hoffentlich etwas antaendiges lernen um sich nicht mit "Speichelaustausch im direkten Mundkontakt" profilieren. Ist das denn noetig?
Danke jedenfalls fuer Ihre Sichtweise der Dinge. Sie haben so manches dann doch nur bestaetigt.
Herzlichst,
Ltd-72!
PS: Stecken Sie doch bitte Bono Ihre Visitenkarte zu. Ich, und vielleicht noch so manch andere Person hier, sind auf seine Reaktion gespannt!

29.07.2008 | 19:08

Kommentar #11 von gnaddrig:

Schliesse mich meinem Vorredner an. Weiss Bono überhaupt, dass Weihnachten ist?

29.07.2008 | 22:24

Kommentar #12 von Eiseisbaby:

Mich würde ja eher intressieren, ob es diesen Abreisskalender für Selbstständige tatsächlich gibt. Wenn ja würde ich ihn sofort kaufen – und fände die Hornbachgeschichte nachträglich(wirklich) witzig.
*

30.07.2008 | 12:00

Kommentar #13 von Himmler:

Ja aber dem Lobo flüstern sie nur "Oh, Du bist Werber!" zu, weil sie sich nicht vorstellen können, dass man mit so einer dummer Frisur überhaupt arbeiten darf.

30.07.2008 | 12:29

Kommentar #14 von Fallmanager:

Heute Werber, morgen Transferleistungsempfänger. Wie, heute auch? Ach ja, bei Hartz IV darf man etwas dazuverdienen, und muss eigentlich auch zu Hause bleiben, falls das Amt eine Stelle für "den Kunden" findet. Praktisch, dass man auch von zu Hause "arbeiten" kann. Und so entsteht die Riesenmaschine.

30.07.2008 | 19:29

Kommentar #15 von irgendwem:

Der Werber ist auf dem gleichen Level wie der Zeitsoldat. Ob sich nun Speichel in einem Berliner Club ausgetauscht wird oder in einer miesen Soldatenkaschemme in Fassberg... das schenkt sich alles nichts!

31.07.2008 | 06:52

Kommentar #16 von justuspeterbob:

günstig wie nie, ich empfehle heideggers (na und?) analyse der langeweile (1,2,3) und den faust 2 (5) dann den herrn kracht wegen der maschine (4,14) und den nazis (7, obwohl das wohl nichts bringt), den herrn beigbeder (13,9) und den zauberer (15), gar nix (8,10,11) und die 12 soll den kalender lesen. am alle alles – gegen alle projekte und für den müssiggang! dann kann man auch so ein quatsch machen wie hier.

31.07.2008 | 23:38

Kommentar #17 von dem tool schlechthin:

schöner beitrag – kann das nicht auch endlich mal jemand sagen? zum einen der wechsel der erzählperspektive (unterlegener werber zu überlegenem werber), zum anderen überhaupt.
ich möchte unbedingt sofort die restlichen haselnussweisheiten für aschenbrödel lesen.

02.08.2008 | 00:34

Kommentar #18 von tash:

Und hier kommt's noch mal: ein schöner Beitrag! Dieses ständige Rumkritisieren geht mir auf die Haselnüsse, echt! Müssen denn hier alle immer DAGEGEN sein? Mein Gott, das ist ja wie bei Hanni und Nanni!
Und: Herr Lobo spricht auch wahr! So!
Danke übrigens, Herr Lobo, für dieses Lanze-Brechen (oder wie sagt man?) denn sonst hätte ich mir nach einem weiteren echt beschissenen Tag in der Agentur heute die Kugel gegeben.

04.08.2008 | 22:01

Kommentar #19 von floda nashir:

Und überhaupt!

01.10.2009 | 14:34

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